Wissenswertes
Eine kleine Geschichte zu meinem ersten Besuch in dem türkischen Gerbereiviertel am Bosporus
Es war ein heißer Arbeitstag im Jahr 1987, als ich das Gerberviertel am Bosporus von Istanbul besuchte, im Auftrag meines Arbeitgeber STRIWA Bekleidungswerke GmbH. Ich hatte von diesem Ort gehört, aber ich konnte es mir nicht vorstellen. Ein Taxi brachte mich zu diesem Ort und ließ mich vor diesem Viertel aussteigen. Die Wege dort waren mit dem PKW nicht befahrbar, da der Boden komplett schlammig war. Ich also mit meinen Lederschuhen und Anzug durch diesen Morast. Es stank zum Himmel und ich dachte, was mach ich hier nur. Ich wollte eigentlich nur weg. Aber ich hatte einen Auftrag, eine Gerberei in diesem Viertel zu besuchen. Ich biss die Zähne zusammen und ging da durch.
Das Gerberviertel war ein Labyrinth aus schmalen, verwinkelten Gassen, die von hohen, engen Gebäuden gesäumt waren. Die Luft war stinkend-faulig, durchsetzt mit dem Geruch von Leder und Chemikalien und am Boden die vielen bunten Pfützen. An einem Gebäude lief eine rote Flüssigkeit in den Boden, beim nächsten Gebäude eine gelbe Flüssigkeit. Alles in den Boden, furchtbar. Ich ging durch die Gassen und suchte die Gerberei. Auf dem Weg kam mir ein Mann mit einer Karre entgegen, auf denen Häute lagen. Der Mann hatte einen starren Blick und wirkte abwesend, wie ein Zombie. Bei der Gerberei angekommen wurde ich von den Inhabern freundlich empfangen und mir wurde die Gerberei gezeigt. Das Erdgeschoß stand so zirka 1 - 2 cm unter Wasser. Ich mit meinen Lederschuhen da durch. Vorher habe ich noch die Hosen etwas hochgezogen. Es drehten mehrere große Gerbfässer aus Holz, in denen die Lederhäute schwammen. Es roch unangenehm. Nach der Besichtigung ging es nach oben ins Büro, um die geschäftlichen Dinge zu besprechen. Ich bekam einen türkischen Kaffee, der sehr lecker war. Hat also auch was Gutes. Die beiden Inhaber waren super freundlich und haben mich nach unseren Verhandlungen zum Essen eingeladen und zum Hotel gefahren. Generell muss ich sagen, ich wurde immer sehr freundlich und hilfsbereit aufgenommen, nicht nur von unserem türkischen Partner, eigentlich generell. Es ist ein sehr offenes und gastfreundliches Volk.
Es war sehr beeindruckend, aber auch sehr traurig wie man mit der Umwelt umgegangen ist. Es war meine erste Gerberei und mein erstes Gerberviertel, was ich am Anfang meiner beruflichen Laufbahn erfahren durfte. Nach dieser Reise folgten noch viele Besuch in Gerbereien in den unterschiedlichsten Ländern, das war eine sehr beeindruckende, lehrreiche und prägende Zeit.
Das Gute ist, Istanbul hat dieses Gerberviertel abreißen lassen und auf der asiatischen Seite von Istanbul ein neues Gerberzentrum mit Kläranlagen geschaffen.
Viele kleine Gerbereien konnte sich das nicht mehr leisten und so reduzierte sich die Anzahl an Gerbereien. Heute sind die Auflagen hoch und der Umweltschutz hat Priorität, was auch richtig und gut ist. Die Gerbereien mit den wir arbeiten, sind zertifiziert und erfüllen die gesetzlichen Vorgaben. Es kann sich heute keine Firma mehr leisten mit Umweltsündern zu arbeiten. Das hat aber auch seinen Preis. Es kostet nun mal alles Geld, auch der Umweltschutz.
Ich hatte leider keinen Fotoapparat bei meiner ersten Reise dabei und Smartphones gab es noch nicht, schade, das türkische Gerberviertel am Bosporus wäre sehenswert gewesen. Es gibt scheinbar auch keine Fotos im Web, zumindest fand ich keine. Wenn jemand von diesem alten türkischen Gerberviertel Fotos hat, dann gerne zusenden, ich würde mich freuen. Oliver Zielina